von Kurt-Willi Sirrenberg
Ein Bier an der Theke, neben mir ein Geldspielautomat.
Und schon warf ich eine Münze ein. Vielleicht aus Neugier, vielleicht auch aus Langeweile. Nach einigen Drehs der Scheiben blinkten nur noch Kronen und Joker. Ich hatte eine große Serie gewonnen – das hatte sich gelohnt.
Von nun an ging ich immer mal wieder in Spielhallen, aber das Glück war meistens nicht auf meiner Seite. Trotzdem konnte ich bald nicht mehr ohne das Glücksspiel. Ich suchte Spielhallen auf, um meine Sorgen zu verdrängen und mich abzulenken. Bald hatte ich einen inneren Zwang zu spielen, dem ich nichts entgegensetzen konnte. Ich versank in das Spiel und konnte so alle meine Alltagssorgen eine Zeitlang vergessen.
Ich setzte immer mehr Geld ein, ging jedes Mal mit einem Hochgefühl in die Spielhalle, genoss das Blinken und Leuchten der Automaten. Bei deren Sound stieg mein Puls – kündigte die Melodie eine Gewinnsträhne an? Am Ende waren es jedoch meist nur kleine Gewinne, weit davon entfernt, die hohen Verluste ausgleichen zu können.
Wenn ich die Spielhalle verließ, fühlte ich mich leer und deprimiert, besonders, wenn ich verloren hatte. Verluste hinderten mich jedoch nicht, am nächsten Tag weiterzuspielen, immer in der Hoffnung, das verlorene Geld wieder reinzuholen. Doch die Verluste wurden immer größer.
Meine Schulden häuften sich, zu Hause gab es zunehmend Streit wegen des Geldes, bei der Arbeit konnte ich mich nicht mehr konzentrieren, nachts fehlte mir der Schlaf. Ich war drauf und dran das wichtigste in meinem Leben, meine Partnerschaft mit meiner Frau, aufs Spiel zu setzen.
Bald erschien mir meine Lage schier ausweglos. Meine Ehe stand auf der Kippe und mein Arbeitsplatz war gefährdet. Ich wurde depressiv, bekam Zukunftsängste – und begriff, dass ich drauf und dran war, mein Leben wegzuwerfen.
Ich gestand mir ein, dass ich glücksspielabhängig war – und suchte eine Selbsthilfegruppe auf. Doch trotz regelmäßiger Gruppenbesuche hatte ich immer wieder Rückfälle. Der Gedanke, mein Spiel nicht mehr kontrollieren zu können und möglicherweise lebenslang Spielhallen meiden zu müssen, machte mir Angst. Das konnte ich mir beim besten Willen nicht vorstellen.
Ein Mitglied der Gruppe half mir aus dem Teufelskreis heraus:
„Denk nicht so weit in die Zukunft. Nimm dir erst mal vor, heute und morgen nicht zu spielen. Was übermorgen oder noch später ist, liegt in der Zukunft und braucht dich jetzt nicht zu interessieren. So wird sich ein spielfreier Tag an den anderen reihen.“
Dies nahm ich mir zu Herzen. Und es hat mir tatsächlich geholfen.
Irgendwann konnte ich mich gegenüber meiner Familie outen. Das war mit großer Scham und vielen Schuldgefühlen verbunden. Doch das Outing bedeutete auch eine große Befreiung und Erleichterung.
Nach einiger Zeit entschloss ich mich zu einer stationären Therapie.
Nun bin ich seit einigen Jahren spielfrei. Mein Leben wird nicht mehr durch das Glücksspiel bestimmt. Hin und wieder denke ich noch an das Spielen, aber ich komme bis jetzt, auch dank meiner Gruppe, gut damit zurecht. Ich habe meine Freiheit wiedergefunden!
Die Schulden sind fast abgezahlt und meine Familie hat wieder Vertrauen zu mir gefasst.
Ich gehe weiterhin zu meiner Selbsthilfegruppe und freue mich jedes Mal, die Freunde dort zu sehen. Dort kann ich mich aussprechen und alle verstehen, was in mir vorgeht.
Mittlerweile kann ich Spielhallen meiden, ohne großen Druck zu empfinden. Ich kann mich meinen Problemen stellen und habe verstanden: Glücksspiel lenkt nur für eine kurze Zeit von Sorgen ab und macht nichts besser. Diese Erkenntnis verdanke ich auch und vor allem meiner Selbsthilfegruppe.
Wie ist es dir ergangen? Schreib uns gern von deinen Erfahrungen!